Zum Inhalt springen

Die Abteilung Pflegeversichtung begutachtet Anträge auf Pflegeleistungen und prüft Pflegeanbieter für die soziale Pflegeversicherung (SPV)

ÜS für Text

Pflege-Antragsplus heißt neue Wege wagen

Pflege-Antragsplus heißt neue Wege wagen

Der Bedarf an Pflegeleistungen steigt von Jahr zu Jahr. Das haben im dritten Jahr der Pandemie erneut die Zahlen der Begutachtungsanträge aus Hamburg und Schleswig-Holstein gezeigt: Mit rund 190.000 Anträgen im Jahr 2022 waren es rund 3.000 mehr als im Vorjahr. Das Problem ist, dass zusätzlich der Fachkräftemangel auch die Pflegebegutachtung erreicht hat. Verlässliche Alternativen zur zeitaufwendigen Begutachtung im Hausbesuch werden dadurch immer wichtiger.

„Wer Pflege benötigt, soll sie bekommen. Und das möglichst schnell“, sagt Dr. Martin Schünemann, der Leiter der Abteilung Pflegeversicherung. Um das zu ermöglichen, kam ihm im ersten Halbjahr der weiterhin erforderliche Infektionsschutz zu Hilfe. Wie schon in den beiden Vorjahren erlaubte der Paragraf 147 Absatz 1 des elften Sozialgesetzbuches die Begutachtung per Telefonbefragung, „womit wir mittlerweile viel Erfahrung haben, um verlässlich und schnell den Pflegegrad zu ermitteln“, betont Schünemann. Versicherte und Gutachterinnen und Gutachter waren damit vor Ansteckung geschützt. Bei rund 2.000 Terminen jede Woche sparten die rund 150 Gutachterinnen und Gutachter außerdem viel Fahrzeit ein, die sie zur Begutachtung weiterer Versicherter nutzen konnten.

„Es ging auch in der Pandemie immer darum, wie ich als Gutachter genug Informationen bekomme, um eine Entscheidung treffen zu können“, so Dr. Schünemann. „Wenn das nur persönlich und vor Ort möglich war, haben wir selbstverständlich immer einen Hausbesuch gewählt“, betont er. Die Mehrzahl der Pflegeanträge ließe sich jedoch nach seinen Erfahrungen mit hoher Genauigkeit aber anders begutachten.

Mitte des Jahres, mit dem Auslaufen der Sonderregelung des Infektionsschutzgesetzes, wurde der Hausbesuch wieder zur Regel. „Das bedeutet mehr Zeit pro Begutachtung, unabhängig davon, ob der Hausbesuch inhaltlich notwendig ist oder nicht“, kritisiert Dr. Schünemann. Alle bisherigen Versuche aus der Gemeinschaft der Medizinischen Dienste, die Bundespolitik davon zu überzeugen, alternative Begutachtungsformen dauerhaft zuzulassen, seien noch nicht erfolgreich gewesen, bedauert er. Auf Landesebene hätten jedoch die Regierungsparteien zum Beispiel in Schleswig-Holstein die Situation erkannt. Das Ziel: Gemeinsam mit anderen Ländern eine Änderung über den Bundesrat zu erreichen.

Erschwerend kam ab Mitte 2022 hinzu, dass allein im dritten Quartal die Antragszahlen auf Leistungen der Pflegeversicherung um bis zu acht Prozent, verglichen mit dem Vorjahresquartal, stiegen. Der zunehmende Fachkräftemangels verstärkt das Problem. Trotz vieler Neueinstellungen konnten bis über das Jahresende hinaus 30 offene Gutachterstellen in der Abteilung Pflegeversicherung nicht besetzt werden. „Und dass, obwohl wir die Anwerbung durch unser Recruiting ständig verbessern und beschleunigen konnten“, so Dr. Schünemann.

„Wir suchen Spezialisten auf ihrem Gebiet. Ausgebildete Pflegefachkräfte, die bisher zwar noch keine Gutachterin oder Gutachter sind, die es aber werden wollen und eine interessant neue Herausforderung suchen“, beschreibt der Abteilungsleiter diese Aufgabe. Eine interessante Tätigkeit, „die auch mit einigen Arbeitszeitvorteilen verbunden ist, wenn man es mit der Arbeit in der Pflege am Patienten vergleicht“. Dr. Schünemanns Anforderungen an die zukünftigen Kolleginnen und Kollegen: „kommunikationsstark, lebenserfahren, geistig flexibel und entscheidungsstark sollten Bewerbende sein“. Dafür bietet die Abteilung Pflegeversicherung ein umfassendes Einarbeitungskonzept, das in rund sechs Monaten zur Qualifizierung führt (siehe unten).

Die Begutachtung im Zeitalter der Digitalisierung ist nicht nur per Telefon möglich, sondern wird in der Zukunft auch per Video machbar sein. Um das zu testen, hat der Fachbereich Paragraf 18 SGB XI des Medizinischen Dienstes Nord im vergangenen Jahr an einer Studie teilgenommen, unter Leitung des Medizinischen Dienstes Bund in Zusammenarbeit mit weiteren Medizinischen Diensten. Das Ergebnis: Bei Vergleich von Begutachtungen zuerst per Video und anschließend im zweiten Durchlauf durch persönliche Begutachtung waren beim MD Nord die Ergebnisse stets deckungsgleich hinsichtlich der Pflegegrad-Empfehlung, „was einen deutlichen Hinweis für eine valide (…) Durchführbarkeit der Videobegutachtung darstellt“, folgert der Abschlussbericht.

Für Dr. Schünemann ist diese Studie zur Videobegutachtung allerdings nur ein erster Schritt. „Es wird sicherlich noch etwas dauern, bis die technischen Möglichkeiten in den Pflegeeinrichtungen und bei den meisten in der Regel älteren Versicherten vorhanden sind. Tablets, Smartphones und ausreichende WLAN-Verbindungen wären dafür überall erforderlich.“ Sollte es politisch gewollt sein, hätte – wie das Telefon – diese Methode auch den Vorteil, dass Gutachterinnen und Gutachter künftig viel flexibler einsetzbar wären, von Hamburg aus in Flensburg, Itzehoe oder umgekehrt. So könnten etwa Terminabsagen vermieden und Versicherte zügiger begutachtet werden, um ihre Pflegeleistungen zu bekommen. Nebenbei profitiert die Umwelt davon, dass viele tausend Kilometer pro Jahr nicht unnötig mit dem Kraftfahrzeug gefahren werden müssen. ♦

Bereit zum Rollenwechsel? Einarbeitung in die Einzelfall-Begutachtung

Von der Pflegefachkraft zur Gutachterin oder zum Gutachter: Dieser Berufswechsel erfordert einen Rollenwechsel, der wesentlicher Teil der weiteren Qualifizierung beim Medizinischen Dienst Nord ist. Das Einarbeitungskonzept für alle neu eingestellten Einzelfall-Gutachterinnen/-Gutachter in der Abteilung Pflegeversicherung sieht dafür eine etwa sechsmonatige Ausbildung vor, welche modular auf die verschiedenen Inhalte der Begutachtungen vorbereitet. Teil der Einarbeitung sind unter anderem:

  • Grundlagen des elften Sozialgesetzbuches
  • Technik- und EDV-Einführung
  • Begutachtung im persönlichen Kontakt
  • Begleitung über mehrere Wochen persönlich und/oder digital
  • Workshops zu ausgewählten pflegefachlichen Themen wie: Demenz, Kommunikation, wohnumfeldverbessernde Maßnahmen, Pflege-Hilfsmittel, Rehabilitation und Betreuungsrecht

Der Beginn der theoretischen Einarbeitung dauert zwischen drei und vier Tagen. In dieser Zeit werden neben den Grundkenntnissen der Datenbankanwendung und der gutachtenerstellenden Software insbesondere die gesetzlichen Grundlagen der Begutachtung der Pflegebedürftigkeit gemäß des elften Sozialgesetzbuches vermittelt. Es folgen Tage der praktischen Anwendung.

Anschließend begleiten Mentoren die Neueinsteiger über mehrere Wochen bei der Begutachtung. Anfangs persönlich begleitend in der Begutachtungssituation, später durch Gegenlesen und Diskussion der vom neu eingestellten Beschäftigten erstellten Gutachten. Alle wesentlichen theoretischen und praktischen Aspekte der Ermittlung einer Pflegegradempfehlung an die Pflegekassen sind Teil der intensiven Einarbeitung.

Wer über die zusätzliche Qualifikation eines Kinderkrankenpflegers oder einer Kinderkrankenschwester verfügt, wird im Anschluss an die erste Einarbeitung zusätzlich für die speziellen Anforderungen der Begutachtung von Kindern und Jugendlichen geschult.

So wird sichergestellt, dass alle Gutachtenden, die im Fachbereich § 18 SGB XI des Medizinischen Dienstes Nord ihre Arbeit aufnehmen, gut für diese anspruchsvolle und für die Versorgung der Versicherten wichtige Aufgabe vorbereitet sind.

ÜS in Hi

Kein Tag ohne Corona — die Qualitätsprüfung der Pflege 2022

Kein Tag ohne Corona: die Qualitätsprüfungen 2022

Ist eine Prüfung möglich oder nicht? Diese Frage und die Anfang 2022 dominierende, hochansteckende Omikron-Variante haben die Planung und Umsetzung der Qualitätsprüfungen geprägt. Während die Prüfungen im Jahr zuvor zeitweise gesetzlich ausgesetzt waren, sollten 2022 nach Vorstellungen des Gesetzgebers wieder alle Pflegeinrichtungen geprüft werden. Dafür hatte der GKV-Spitzenverband (GKV-SV) die Regeln in Pandemiezeiten festgelegt.

Oberstes Ziel dieser Regelungen war es, pflegebedürftige Menschen, Mitarbeitende in Pflegeeinrichtungen und Prüferinnen und Prüfer vor einer Corona-Infektion zu schützen. Angesichts der dynamischen Entwicklung der Infektionszahlen — gerade zu Beginn des Jahres 2022 — und unter Berücksichtigung der Regelungen, wurden die Einrichtungsprüfungen ab Mitte Januar erneut ausgesetzt. Die Prüferinnen und Prüfer des Fachbereichs § 114 SGB XI unterstützten in dieser Zeit die Pflege-Einzelfallbegutachtung.

Wie können Prüfeinsätze geplant werden, unter den Bedingungen der Pandemie? Vor diesem Problem standen Fachbereichsleiterin Elise Coners und ihre Teams fast jeden Tag. Von März an gingen die Infektionszahlen etwas zurück, sodass es möglich war, Qualitätsprüfungen unter Berücksichtigung des allgemeinen Infektionsschutzes wieder aufzunehmen. „Das Ausschlusskriterium für eine Einrichtungsprüfung war ein positiv getesteter Fall in der Einrichtung innerhalb der vergangenen 14 Tage bei Bewohnern oder Beschäftigten“, so Elise Coners, „und den gab es täglich in vielen Fällen.“

Die tägliche Planung der Einsätze wurden damit zur fast unlösbaren Aufgabe, beschreibt die Fachbereichsleiterin: „Wir haben den Einrichtungen am Vortag eine Anmeldung gesendet, in der wir gebeten haben, mitzuteilen, ob sie Coronafälle in der Einrichtung haben. Diese haben sich dann zwischen 11 und 15 Uhr gemeldet und die Infektionslage vor Ort beschrieben.“ Das Ergebnis: „An manchen Tagen hatten wir zwölf Prüfungen geplant und zwölfmal musste abgesagt und ersatzweise Prüfungen anderer Einrichtungen neu geplant werden. Immer in der Hoffnung, dass in diesen Pflegeeinrichtungen keine Bewohner und Bewohnerinnen oder Mitarbeitende mit Corona infiziert waren. Gegebenenfalls mussten wir ein drittes Mal planen und anmelden.“

Die Auswahl der zu prüfenden Einrichtungen folgt Bedingungen, zum Beispiel der Beantwortung der Frage, ob der einjährige Abstand zur vergangenen Prüfung eingehalten würde, sowie ob und wann die Daten für die vorgeschriebenen Plausibilitätsprüfung an die Datenauswertungsstelle übermittelt worden sind.

Mit den sinkenden Infektionszahlen zum Sommer folgten Anpassungs-Regelungen durch den GKV-SV, wonach Prüfungen auch zulässig waren, wenn mehrere Bewohnende oder Mitarbeitende der Pflegeeinrichtung positiv auf das Corona-Virus getestet waren.

Die neuen Regularien brachten auf der einen Seite Erleichterungen bei der Planung der Prüfungen, bedeuteten auf der anderen Seite aber immer eine Abwägung, ob angesichts der Zahl der gemeldeten Infektionsfälle eine Prüfung zu vertreten ist oder nicht, betont Coners. Insgesamt betrachtet, habe es in 2022 keinen Tag gegeben, in dem die Qualitätsprüfungen in der Pflege in Hamburg und Schleswig-Holstein unbeeinflusst von der Pandemie waren, blickt sie zurück.

Alle Regeln zur Umsetzung betrafen auch die Prüfungen der ambulanten Pflegedienste wie der Tagespflege-Einrichtungen. In Letzteren kam als Neuerung außerdem die neue Qualitätsprüfungs-Richtlinie (QPR) Tagespflege hinzu, nach der seit Anfang vergangenen Jahres auch die rund 200 Einrichtungen im Gebiet des Medizinischen Dienstes Nord geprüft wurden – wenn eine Prüfung denn möglich war.

Das dritte Jahr der Pandemie wirkt in der Pflege weiterhin nach: Während Anfang 2023 im öffentlichen Raum Schutzmaßnahmen gelockert oder aufgegeben werden, gilt für Elise Coners und die Prüfteams vorerst weiterhin: viermal in der Woche testen und den ganzen Tag FFP2-Maske tragen, um die Pflegebedürftigen zu schützen. ♦

Grundsätzlich finden keine Regel- und Wiederholungsprüfungen in Einrichtungen mit Ausbruchs-
geschehen oder dem Verdacht auf eine Infektion mit SARS-CoV-2 statt (mindestens ein bestä-
tigter positiver Befund innerhalb der letzten 14 Tage bei Bewohnerinnen oder Bewohnern (…)

Aus: Regelung des GKV-Spitzenverbandes zu Qualitätsprüfungen nach § 114 SGB XI, 09.03.2022