Zum Inhalt springen

ÜS für Text

Vorabanfragen bei NUB, wenn es teuer wird und unklar ist

Wenn es teuer wird und unklar ist: Die Vorabanfrage

Komplexe Eingriffe und teure Medikamente bei lebensbedrohlichen Krankheiten können heutzutage hunderttausende Euro und mehr kosten. Obwohl Vorabprüfungen in der stationären Versorgung eigentlich nicht vorgesehen sind, ist es verständlich, wenn Krankenhäuser per Vorabprüfung wissen möchten, ob die Kosten einer teuren Behandlung übernommen werden. Gutachterinnen und Gutachter der Abteilung Krankenhaus tragen damit auch dazu bei, dass Betroffene mit lebensbedrohlichen Erkrankungen die Behandlung bekommen, die sie benötigen. Mögliche Risiken werden dabei abgewogen.

„Zolgensma“ ist das mit rund 1,9 Millionen Euro pro Spritze derzeit teuerste Medikament. Auch eine Car-T-Zell-Therapie kann mit bis zu 300.000 Euro für die gesamte Behandlung ein Krankenhaus-Budget belasten. Beides sind Beispiele, bei denen Krankenhäuser wissen wollen, ob Krankenkassen diese Kosten übernehmen. Diese geben die Frage nach der medizinischen Notwendigkeit solcher Behandlungen und möglicher Alternativen in der Regel zum Medizinischen Dienst. „Bei solch hochpreisigen Therapien wird unsere fachliche Expertise fast immer benötigt“, sagt Dr. Jan Scherlitz, der mit seinem Team seit Anfang 2023 die Vorabanfragen für Krankenhaus-Behandlungen bearbeitet. Hierbei geht es meist um sogenannte „Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden“, kurz NUB, die noch nicht allgemein anerkannt sind und noch nicht als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung in das DRG-System aufgenommen wurden.

Krankenhäuser berufen sich dabei immer noch oft auf die landläufig „Nikolausurteil“ genannte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 6. Dezember 2005. Damals hatte das Bundesverfassungsgericht erstmals geregelt, unter welchen Voraussetzungen schwer kranke Versicherte ausnahmsweise Anspruch auf Behandlungsmethoden haben, deren Wirksamkeit nicht hinreichend belegt ist.

„Das Urteil ist allerdings in eine Regelung im fünften Sozialgesetzbuch übernommen worden, was ich dann auch mitteile“, so Scherlitz, denn mit dem Paragrafen 2 Absatz 1a des fünften Sozialgesetzbuches aus 2012 sei der Anspruch mittlerweile klar geregelt. Er besagt wörtlich: „…Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, können auch eine (….) abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht.“

Dass bei Vorabanfragen wegen der Schwere der Erkrankungen viel schneller zu begutachten ist, als bei der nachträglichen Abrechnungsprüfung, ist allen bewusst. „Hier geht es oft um lebensbedrohlich Erkrankte, bei denen die Entscheidung für die richtige Therapie schnell fallen muss“, hebt Dr. Scherlitz hervor. Deshalb habe das Team eine „erhöhte personelle Verfügbarkeit aufgebaut“, wie er sagt. Das bedeutet: „Unser Ziel ist es, in dringenden Fällen innerhalb von zwei Tagen eine Vorabanfrage annehmen, begutachten und beantworten zu können.“ Eine Gruppe von Gutachterinnen und Gutachtern sowie Kodierfachkräften sei immer für solche Aufträge eingeteilt, die jederzeit über die Krankenkassen eingehen können.

Allerdings „hake“ es oft bei den zur Begutachtung notwendigen Unterlagen, die von Patienten oder Krankenhäusern nicht mitgeschickt würden. „Dann telefonieren wir meistens hinterher und fordern nach, damit es nicht länger dauert und die Versicherten nicht darunter leiden müssen.“

Beim Thema Zeitfaktor weist seine Teamkollegin und Neurologin Dr. Christine Fock auf einen weiteren Aspekt hin: „Letztlich tragen immer die Ärztinnen und Ärzte der Krankenhäuser die Verantwortung für die Versorgung ihrer Patienten. Für akute, lebensbedrohliche Fälle ist die Vorabanfrage beim Medizinischen Dienst also ungeeignet. Im Zweifel ist es ärztliche Pflicht zu behandeln, auch ohne dass die Kostenübernahme geklärt ist.“

Dr. Jan Scherlitz warnt abschließend davor, künftig jede noch so einfache Frage zur eigenen finanziellen Absicherung per Vorabanfrage vom Medizinischen Dienst beantworten zu lassen. Das könne die Gutachter-Ressourcen überlasten, anderes verzögern und am Ende den Versicherten schaden. ♦