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Missbrauch vorbeugen, Schäden abwenden

Missbrauch vorbeugen, Schäden abwenden

Es ist eine der aufwendigsten Versorgungen schwer Erkrankter: die künstliche Beatmung von Patientinnen und Patienten im ambulanten Bereich. Bis zu 30.000 Euro im Monat kosten einzelne Beatmungsplätze, die einen großen Anteil an der außerklinischen Intensivpflege, kurz AKI, ausmachen. Hohe Kosten, die die Versichertengemeinschaft tragen muss. Mit Hausbesuchen müssen die Medizinischen Dienste in diesem Jahr erstmals die Qualität dieser Versorgung vor Ort überprüfen. Ziel ist es unter anderem, Missbrauch vorzubeugen und Schäden von Betroffenen durch eine zu lange Beatmung abzuwenden.

Nach ersten Angaben der Krankenkassen betrifft die AKI mehr als 720 Versicherte in Hamburg und Schleswig-Holstein. Es sind Kinder, Jugendliche und Erwachsene, bei deren Versorgung jeden Tag und unvorhersehbar lebensbedrohliche gesundheitliche Situationen auftreten können. Viele dieser Patientinnen und Patienten sind kaum ansprechbar, andere komatös, psychisch erkrankt oder organisch so gehandicapt, dass sie die gesundheitlichen Notfälle nicht erkennen und/oder sich nicht bemerkbar machen können. Sie werden im eigenen Haushalt, in Pflegeeinrichtungen oder noch häufiger in sogenannten „Beatmungs-Wohngemeinschaften (WGs)“ versorgt.

„Die Begutachtung dieser anspruchsvollen Gesundheitsleistung sahen Gesetzgeber und Richtlinie bisher nur nach Aktenlage vor, was wir bereits seit Jahren leisten“, erläutert Dr. Barbara Mörchen, die Leiterin der Abteilung Ambulante Versorgung. Neu sei für die ärztlichen Gutachterinnen und Gutachter jetzt der Hausbesuch, den der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) im Auftrag des Gesetzgebers laut Paragraf 37c des fünften Sozialgesetzbuches als eigenständige sogenannte „AKI-Richtlinie“ geregelt hat.

„Mit der persönlichen Begutachtung soll sichergestellt werden, dass die Versicherten auch wirklich adäquat versorgt und betreut werden, und dies nicht nur auf dem Papier“, beschreibt Dr. Mörchen den Auftrag. Der mögliche Grund dafür könne sein, dass in der Vergangenheit offenbar die „existierenden Versorgungsformen Zweifel an der Qualität aufkommen ließen“.

Die Richtlinie verpflichtet zum Besuch jedes beatmeten AKI-Patienten einmal Jahr, was bei mehr als 720 Betroffenen im Norden künftig einen hohen zeitlichen Arbeitsaufwand bedeuten werde, rechnet die Abteilungsleiterin. „Aber der Aufwand dafür ist gerechtfertigt. Es geht hier schließlich um Menschen, die sich nicht wehren können, wenn sie falsch oder schlecht versorgt werden.“

Zu einem Hausbesuch der ärztlichen Gutachterinnen und Gutachter gehört auch die Beantwortung der Frage, ob eine weitere Beatmung überhaupt noch notwendig ist. Denn bei dieser Behandlung gilt kein „je länger, desto besser“, sondern anders herum: je länger ein Patient beatmet wird, desto schwieriger wird seine Entwöhnung. „Eine so hochpreisige Versorgung hat im Laufe der Jahre mögliche Fehlanreize bei Leistungserbringern gesetzt, die kein Interesse an einer Entwöhnung haben“, stellt Dr. Mörchen fest. Die Ergebnisse des ersten Prüfjahres erwartet sie mit Spannung. ♦